In diesem Artikel stellen wir euch das Vier-Seiten-Modell der Kommunikation von Friedemann Schulz von Thun vor.
Was ist das Vier-Seiten-Modell?
Da Kommunikation komplex ist, bedient man sich vereinfachter Beschreibungen, um besser erklären zu können, woran es liegt, wenn Kommunikation funktioniert oder nicht funktioniert. Von diesen Modellen gibt es viele verschiedene, da unterschiedliche Wissenschaftler:innen verschiedene Erklärungsansätze verfolgt haben. Vielleicht kennst du schon die fünf Axiome der Kommunikation von Paul Watzlawick, die besonders häufig besprochen werden.
Ein weiteres bekanntes Kommunikationsmodell ist das Vier-Seiten-Modell von Friedemann Schulz von Thun, das wir hier vorstellen. Wie der Name schon sagt, geht Schulz von Thun davon aus, dass jede Nachricht, also jede Information, die man jemandem sagt, vier verschiedene Seiten hat. Dies gilt immer, egal, ob man das bewusst möchte oder nicht.
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Die vier Seiten einer Nachricht stellt er als sogenanntes Kommunikationsquadrat dar. Alle vier Seiten werden bei jeder Nachricht mitgesprochen und mitgehört. Da derjenige, der die Nachricht spricht (der Sender), und derjenige, der sie hört (der Empfänger) die Seiten auch unterschiedlich auffassen können, kann es leicht zu Missverständnissen kommen. Den meisten Menschen ist nur die Kommunikation auf der Sachebene bewusst. Sie geben eine Information weiter und bemerken gar nicht, dass sie daneben noch ganz viele andere Dinge übermitteln. Das Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun hat zum Ziel, den Menschen bewusster zu machen, dass sie nicht nur auf der Sachebene kommunizieren, sondern eben auch auf drei anderen Ebenen.
Die 4 Seiten einer Nachricht
Nach Schulz von Thun umfasst jede Nachricht die folgenden vier Seiten: eine Sachaussage (das ist der Inhalt der Nachricht), eine Selbstoffenbarung (der Sprecher teilt meist unbewusst etwas über sich selbst mit), eine Beziehungsaussage (der Sprecher gibt eine Information über die Beziehung zwischen ihm und dem Empfänger der Nachricht) und einen Appell (eine Aufforderung an den Empfänger).
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Der Inhalt der Seiten hängt sehr stark von den Personen ab, die an einer Kommunikationssituation beteiligt sind. Eine identische Aussage kann ganz unterschiedliche Seiten haben – je nachdem, wer sie in welcher Situation zu wem sagt. Um das Ganze anschaulicher zu gestalten, untersuchen wir als Beispiel den Satz “Ich gehe kurz zum Bäcker”, den eine Frau zu ihrem Mann sagt.
Seite 1: Die Sachaussage
Die Sachaussage oder der Sachaspekt einer Nachricht ist die inhaltliche Information, die übermittelt wird. Im Beispiel ist die Sachinformation, dass die Frau kurz zum Bäcker geht.
Seite 2: Die Selbstoffenbarung
Wann immer wir etwas sagen, sagen wir auch etwas über uns selbst aus. Die Selbstoffenbarung oder Selbstkundgabe ist daher die Information, die der Sprecher über sich selbst preisgibt – und zwar in aller Regel unbewusst. Die Frau könnte zum Beispiel mit dieser Aussage über sich selbst preisgeben, dass sie gestresst ist und außerdem noch für Abendessen sorgen muss.
Seite 3: Die Beziehungsebene
Eine Nachricht wird immer von einer Person zu einer oder mehreren anderen “geschickt”. Damit enthält die Nachricht immer auch eine – in der Regel unfreiwillige – Information über die Beziehung zwischen Sender und Empfänger. Beispielsweise kann die Frau damit aussagen, dass sie das Gefühl hat, häufiger einkaufen zu gehen als der Mann.
Seite 4: Der Appell
Jede Nachricht enthält laut Vier-Seiten-Modell außerdem einen Appell, also eine Aufforderung vom Sprecher an den Empfänger der Nachricht. In diesem Fall könnte das die Bitte der Frau an den Mann sein, schon einmal alles für das Abendbrot vorzubereiten.
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Beispiel für ein Missverständnis nach dem Vier-Seiten-Modell
Ob wir wollen oder nicht – wir sprechen immer alle vier Seiten einer Nachricht mit und hören auch vier Seiten einer Nachricht. Bei der Sachebene ist dies meist noch unnproblematisch. So lange Sender und Empfänger über ein ähnliches Hintergrundwissen verfügen, kommt es hier nicht zu Missverständnissen. Die anderen drei Seiten werden aber oft unterschiedlich gemeint und interpretiert, und oft sind sie sehr emotional besetzt. Daher kann es leicht zu Missverständnissen kommen, die aber gar nicht auf der Sachebene der Kommunikation liegen. Das folgende Beispiel soll dies illustrieren. Lukas fragt Lea, ob sie Lust hat, mit ihm ins Kino und vorher vielleicht noch etwas essen zu gehen. Lea antwortet “Ich bin Veganerin.”
Lea sagt/meint: | Lukas hört: | |
Sachaussage | “Ich bin Veganerin.” | Lea ist Veganerin. |
Selbstoffenbarung | “Ich kann nicht überall essen gehen, weil es nicht überall etwas für mich gibt.” | “Mir ist meine vegane Lebensweise sehr wichtig und ich möchte nicht mit jemandem essen gehen, der kein Veganer ist.” |
Beziehungsebene | “Ich möchte dich darüber informieren, dass es kompliziert sein kann, mit mir essen zu gehen.” | “Du bist kein Veganer und ich finde deine Art, dich zu ernähren, nicht richtig.” |
Appell | “Wenn du mit mir essen gehen möchtest, geh bitte mit mir irgendwohin, wo ich etwas Veganes finde.” | “Du solltest dir Gedanken darüber machen, ob deine Lebensweise richtig ist.” |
Wie du siehst, können die Informationen, die gemeint und die verstanden werden, sehr stark voneinander abweichen. Dies hängt natürlich auch immer davon ab, wie die Personen, die miteinander sprechen, zueinander stehen, welche gemeinsamen Erlebnisse sie hatten und wieviel sie voneinander wissen. Je besser man sich kennt, desto weniger werden normalerweise die Missverständnisse.
Missverständnisse vermeiden mit dem Vier-Seiten Modell nach Schulz von Thun
Du hast jetzt gesehen, wie leicht Missverständnisse entstehen können, weil Sender und Empfänger einer Nachricht ganz unterschiedliche Vorstellungen haben. Das muss aber nicht so sein. Der wichtigste Schritt, um Missverständnissen vorzubeugen, ist, dass man sich der Funktionsweise der Kommunikation bewusst wird. Wenn du weißt, was alles in dir und in deinem Gegenüber passiert, wenn ihr miteinander sprecht, wirst du eher darauf achten, genau und gut verständlich zu kommunizieren. Außerdem ist es immer wichtig, sich zunächst auf die Sachebene zu konzentrieren und die Information, die wirklich gegeben wurde, herauszufiltern. Alles andere kannst du ansprechen, wenn du glaubst, dass etwas gemeinst ist, mit dem du nicht einverstanden bist.