Vokabeln lernen mit LRS – 5 praxiserprobte Tipps für Eltern

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»Das schaffe ich nie! Englisch ist blöd«, beschwerte sich Marie, als sie übers Wochenende 50 Vokabeln lernen musste. Sie ist nicht die einzige, die sich mit riesigen Vokabelmengen quält. Ist dein Kind auch erschlagen von der riesigen Menge an Wortschatz, die es Tag für Tag lernen muss und am Ende doch wieder vergisst?

Für viele Kinder mit LRS kann das Erlernen neuer Vokabeln schnell von einer lästigen Pflicht zu einer regelrechten Sisyphusarbeit werden. Stundenlanges Büffeln, endlose Wiederholungen, und am Ende sind die Wörter wie weggeblasen – Stress pur, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern!

Es kann auch anders gehen! In diesem Artikel teile ich 5 praxiserprobte Tipps für Eltern mit dir. So wird das Vokabellernen für dich und dein Kind nicht nur wesentlich effektiver sondern auch angenehmer und entspannter für die ganze Familie. Auf diese Weise lernt dein Kind gern und hat sofort Erfolgserlebnisse. Dafür brauchst du nur die richtigen Strategien und ein bisschen Kreativität!

1.     Der 5-am-Tag-Trick gegen Überforderung

Die Frage, die mir Maries Mama stellte, bekomme ich in meinen Elternberatungen immer wieder zu hören: Wie kann mein Kind es schaffen, eine große Menge an Vokabeln von heute auf morgen so zu lernen, dass sie in den Kopf gelangen und dort auch drin bleiben? Die Antwort ist einfach: Gar nicht!
Das Arbeitsgedächtnis hat nicht viel Platz

Unser Arbeitsgedächtnis ist mit zu vielen Vokabeln auf einmal überfordert. Das geht nicht nur Kindern mit LRS so. Wir kommen gut mit ca. 7 Vokabeln auf einmal zurecht. Für ein Kind mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten kann bereits das zu viel sein. Klar, man könnte mehrere Lerndurchgänge machen und dazwischen Bewegungspausen. Aber wie willst du das nur im Alltag unterbringen? Dein Kind hat ja auch noch anderes zu tun, als nur Vokabeln zu lernen!

Deshalb empfehle ich: Lass dein Kind nie mehr als 5 neue Wörter pro Tag lernen. Wie ich auf diese Zahl komme? Ganz einfach: In den meisten Englischbüchern sind 800 bis 1000 Vokabeln pro Schuljahr zu lernen. Teile 1000 durch durchschnittlich 200 Tage, an denen dein Kind pro Jahr lernt. Und – du kommst auf 5! Ist das nicht wunderbar? Marie war total begeistert, als sie von der Methode erfuhr: »Dann muss ich ja nie mehr wieder 30 Vokabeln auf einen Schlag lernen«, sagte sie erleichtert. »Aber wie mach ich das genau, meine Lehrerin gibt ja nicht jeden Tag 5 Vokabeln auf, sondern tagelang gar keine und dann wieder so viele auf einmal!«

Vorlernen ist der beste Tipp für Kinder mit LRS

Klar, die Lehrkraft gibt die Wörter unregelmäßig auf. Aber das macht nichts. Dein Kind lernt trotzdem stur jeden Tag seine 5 neuen Wörter. Am besten startet ihr mit den 5-am-Tag nach einer Klassenarbeit. Da werden im Normalfall nicht gleich wieder neue Wörter aufgegeben. So kann dein Kind jetzt einfach vorlernen! Das ist eine entspannte Methode, denn beim Vorlernen muss es die Vokabeln ja noch nicht zu 100 % können. Dann sind die Wörter im Unterricht schon bekannt und fallen auf fruchtbaren Boden. Wenn es sie dann als Hausaufgabe bekommt, beschäftigt sich dein Kind bereits zum dritten Mal damit und das Behalten fällt jetzt leicht.

Vorlernen ist übrigens die ultimative Methode für Kids, die in Englisch nicht wissen, wo oben und unten ist. Dadurch verstehen sie viel mehr im Unterricht und können sich besser beteiligen. Aber nicht der Lehrkraft verraten! Aus welchem Grund auch immer mögen sie meist nicht, wenn vorausgelernt wird. Marie ist ganz entspannt, seitdem sie mit dem 5-am-Tag-Trick vorlernt und versteht jetzt auch mehr im Unterricht. Sie kann sich sogar ab und zu melden, weil sie einige Vokabeln ja schon versteht.

Voraussetzung für das Vorlernen von Vokabeln: Dein Kind sollte sie auch hören, um sich die Aussprache richtig einzuprägen. Doch das sollte es sowieso und das geht am besten mit einer Vokabel-App.

2.     Viel Wortschatz-Hilfe mit einer Vokabel-App

Eine Vokabel-App ist für Eltern und Kinder einer der besten Tipps. Sie ist so etwas wie eine eierlegende Wollmilch-Sau. Sie ist nahezu unentbehrlich, weil sie auf so vielerlei Weise hilft.

Die App spricht die Vokabeln aus

Maries Lehrer spricht jede neue Vokabel zwar ein paar Mal vor und auch der neue Lektionstext wird mehrfach gehört und gelesen. Dennoch kann das Mädchen viele Vokabeln nicht mehr richtig aussprechen, wenn sie nach Hause kommt. Das ist völlig normal und kommt bei Kindern mit LRS, die auch oft eine AVWS (Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung) haben, ziemlich oft vor.

Da wirkt die Vokabel-App Wunder, denn sie spricht die Vokabel vor, so oft dein Kind es braucht. Es sollte dann tatsächlich mehrmals gut hinhören und jedes Wort auch mehrere Male nachsprechen. So schult es Gehör und Aussprache und lernt mit mehreren Sinnen, wodurch es sich die Vokabeln leichter einprägt und länger merkt. Außerdem liebt es unser Gehirn, wenn es unsere eigene Stimme hören darf und schüttet Glückshormone aus. So fällt das Lernen gleich viel leichter.

Ein englischer Beispielsatz ist hilfreicher als das einzelne Wort

Nur die Bedeutung der Vokabeln zu kennen, reicht nicht. Dein Kind muss auch wissen, wie sie verwendet werden. Wie soll es sonst Sätze richtig bilden wie: »I’m good at sports«, wenn es nur »good« lernt, aber nicht weiß, dass es mit der Form von »to be« und der Präposition »at« verwendet wird?

Da ist es gut, dass viele Vokabel-Apps auch Beispielsätze liefern. Durch den Kontext kann sich dein Kind die Vokabel auch leichter merken. Am besten funktionieren kurze Beispielsätze aus einfachen Wörtern, die dein Kind komplett versteht.

Mit der App klappt die systematische Wiederholung der Wörter

Auch nach einigen Jahren Englischunterricht haben viele Kinder noch keinen ausreichend großen Wortschatz aufgebaut, mit dem sie Texte verstehen und produzieren oder sich an Gesprächen beteiligen können. Es wurden zwar genügend Vokabeln vermittelt, aber viele davon werden einfach wieder vergessen! Keine Sorge, das ist ganz normal, wenn dein Kind nicht alle Vokabeln behalten kann. Es sind einfach zu viele und sie werden im Unterricht nicht genügend umgewälzt.

Die einzige Abhilfe ist eine konsequente und systematische Wiederholung. Diese bietet das Spaced-Repetition-System (Wiederholung in kleinen Abständen, die zunehmend größer werden), wie es ein Karteikasten liefern kann. Klar kann dein Kind einen solchen verwenden. Aber da muss es selbst (oder du) ganz schön diszipliniert sein und an die rechtzeitige Wiederholung denken.

Leichter geht es mit Vokabel-Apps wie Phase 6. Sie basieren auf dem Karteikastensystem und fragen in immer größer werdenden Abständen die Vokabeln ab, bis sie (hoffentlich) im Langzeitgedächtnis angekommen sind.

Apps enthalten richtig geschriebene Wörterlisten

Viele Kinder lernen aus ihrem Vokabelheft oder von selbst geschriebenen Karteikarten. In 30 Jahren Englisch-Unterstützung hab ich aber noch kein einziges fehlerfreies Vokabelheft gesehen! Nicht mal bei den Klassenbesten! Diese Kinder lernen also ihre Fehler mit, was sehr schade und eigentlich vermeidbar wäre. Deshalb ist es so praktisch, dass du bei einigen Apps die Vokabeln gleich passend zum Schulbuch kaufen und integrieren kann. So sind die Wörter immer korrekt geschrieben und ihr spart euch Zeit und Aufwand.

Beliebte Vokabel-Apps für Kinder mit LRS

  • Phase 6: Du kannst die Vokabeln für das Schulbuch deines Kindes gleich mitkaufen.
  • Quizlet: Es gibt fertige Sets und nette Spiele.
  • Cabuu: Vokabellernen mit Gesten, besonders bei Kindern mit LRS beliebt.
  • Anki: Die App fragt den Benutzer, wie leicht oder schwierig für ihn das jeweilige Wort war und fragt schwierige häufiger ab.

Auch wenn dein Kind nur 5 neue Wörter pro Tag lernt, kann es trotzdem noch mit Vokabeln lernen überfordert sein; es muss ja auch noch die alten Wörter wiederholen und vielleicht sogar noch eine  zweite Fremdsprache lernen. In diesen Fällen hilft der nächste Trick.

3.     Das Weglass-Wunder für die wichtigen Vokabeln

Was da so in den Texten der Englischbücher an Wörtern daherkommt ist teilweise schon abstrus. Wann braucht dein Kind denn jemals Wörter wie Auster (oyster), Neoprenanzug (wet suit), Sarg (coffin) oder Kauderwelsch (gobbledygook)? (Alle aus Go Ahead Bayern 6-7). Also zumindest kommen sie in den nächsten Schulbuchtexten selten bis gar nicht mehr vor. Aber zum Lernen werden sie aufgegeben und pflichtbewusste Kinder quälen sich damit.

Der einfache Rat für Eltern ist hier: Lass manche Wörter einfach weg! Und zwar die, die vermutlich nicht mehr vorkommen werden oder die für dein Kind zu schwierig sind und viel zu viel Zeit und Energie kosten. Dein Sohn oder deine Tochter wird gleich viel motivierter sein, wenn es mitentscheiden darf, welche Wörter auf einen eigenen Zettel geschrieben werden und in den Papierkorb wandern dürfen!

Hier kommt das Pareto-Prinzip ins Spiel: 80 % der Wörter lernt dein Kind in 20 % der Zeit, 20 % der Wörter sind so knifflig, dass es dafür 80 % der Zeit braucht. Wenn diese dann sowieso nicht zu einem (gefühlten) Häufigkeitswortschatz zählen, dann ist das Aussortieren doch ganz leicht! Besser, dein Kind kann weniger Vokabeln richtig gut, als alle nur so halb. Damit kann es am Ende nämlich gar keine! Der Clou dabei: Wenn dein Kind überlegt, welche Vokabeln es nicht lernen möchte, beschäftigt es sich tief mit seinem Wortschatz. So kann es sein, dass die aussortierten Wörter am Ende doch noch hängenbleiben.

4.     So lernen Kinder mit LRS Vokabeln richtig zu schreiben

Die Schreibweise der englischen Vokabeln, die so stark von der Aussprache abweicht, stellt viele Kids mit Rechtschreibschwierigkeiten vor ein nahezu unüberwindliches Hindernis.

In meinem Elternclub helfen alle Eltern ihren Kindern durch einen beliebten Trick, damit sie sich die Rechtschreibung der Vokabeln merken könnnen: Sie »lautieren«. Das ist eine sehr einfache Technik, bei der ein Wort genauso gesprochen wird, wie man es schreibt. Auf Deutsch. Also z. B. be-au-ti-ful, bre-ak-fast oder dif-fi-cult. Das geht am besten in Silben, wo man auch noch Doppellaute trennen kann. Dabei sollte dein Kind idealerweise das Wort zuerst korrekt auf Englisch aussprechen und es dann schreiben. Währenddessen kann es (halb-)laut mitsprechen. Birgit, Englischlehrerin an der Realschule, sagt: »Das Lautieren mache ich auch im Englischunterricht. Das ist so erfolgreich und nützt allen Kindern, nicht nur denen mit LRS. Leider machen das die wenigsten Lehrpersonen.«

Das Schreiben kann auch weggelassen werden, dann ist die Methode zwar nicht mehr ganz so effektiv, aber kann prima zwischendurch eingesetzt werden, z. B. wenn du mit deinem Kind im Auto zum Arzt oder Fußballtraining unterwegs bist.

5.     So läuft das Abfragen von Vokabeln entspannt

Viele Kinder lassen sich ihre Vokabeln nach dem Lernen von Mama, Papa, Oma, usw. abfragen. »Aber sollte es nicht lieber selbständig lernen?«, fragen sich ihre Eltern. Kinder mit LRS haben schon mit vielen Herausforderungen in Englisch zu kämpfen. Habe also kein schlechtes Gewissen, wenn du es auch noch in höheren Klassen unterstützt.

Deshalb sollte sich dein Kind mit LRS Vokabeln abfragen lassen

  • Unser Gehirn ist ein Beziehungsorgan, es lernt lieber und leichter in Gemeinschaft.
  • Wenn du dein Kind abfragst, kann es sich nicht selbst betrügen.
  • Es fällt ihm leichter, Vokabeln zu sprechen, wenn es jemand hat, der ihm zuhört.
  • Du kannst auf verschiedene Arten fragen, z.B. Deutsch-Englisch, Englisch-Deutsch, Synonyme, Gegenteile oder einen Lückensatz (Du lässt das betreffende Wort im Satz einfach aus und dein Kind muss es durch den Kontext erschließen).

Oft endet das Abfragen allerdings in Stress und Streit. Meist, weil es zu lange dauert oder dein Kind vorher nicht gut genug gelernt hat. Dann ist es wichtig, dass du Tipps kennst, wie das Abfragen eurer Beziehung nützt statt schadet. 

So fragst du dein Kind Vokabeln entspannt ab

  • Warte nicht lange auf eine Antwort. Nach 2 Sekunden flüsterst du deinem Kind die Antwort vor und es spricht sie laut nach. So muss dein Kind nicht (falsch) raten und das gemeinsame Lernen geht viel schneller.
  • Zeig deinem Kind auch die korrekte Schreibweise, z.B. indem du eine Karteikarte hochhältst oder das Wort auf der App oder im Schulbuch zeigst. So werden mehrere Sinne gleichzeitig aktiviert und die Vokabel wird besser behalten.
  • Frage schwierige Wörter gleich noch einmal (mehrfach) in ganz kurzen Abständen, so dass die korrekte Antwort noch im Arbeitsgedächtnis deines Kindes ist. So wird die Abfrage erfolgreicher und dein Kind ist motivierter.
  • Ende immer mit einem Erfolgserlebnis, so dass deinem Kind die Abfrage in guter Erinnerung bleibt und es Vokabeln lernen mit einem positiven Gefühl verbindet.

Fazit

Auch wenn Vokabeln lernen für dein Kind mit LRS zunächst wie ein großer unüberwindbarer Berg aussieht – mit diesen 5 Methoden verwandelt sich sein Englischfrust wieder in Lernfreude. So kehrt der Erfolg zurück und es wird wieder an sich glauben. So wie Marie, die im letzten Vokabeltest eine 2 hatte und jubelte: »Ich kann’s ja doch!« Ich wünsche euch viel Erfolg und Spaß beim gemeinsamen Englischlernen! 

Deine Gastkommentatorin:

Hallo, ich bin Diana Selig und Expertin für Englisch und LRS. Ich berate Eltern, die ihre Kinder in Englisch unterstützen, mit gehirn-genialen Strategien, die sofort Erfolgserlebnisse bringen. Hat dir mein Artikel gefallen? Dann wirst du von meinem Buch begeistert sein. »Die gehirn-geniale Vokabelformel für Englisch« verrät dir 77 Tipps, wie Vokabeln lernen mit deinem Kind noch einfacher und erfolgreicher wird.  

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