Dramen

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‚Was für ein Drama!‘ – hört man manchmal im Alltag sagen. Gemeint ist damit ein gefühlsintensives Geschehen oder Ereignis. Englische Fernsehserien heißen television drama, wenn sie eher ernst als humorvoll sind. In Japan werden Spielfilme special drama genannt. Action und Emotionen also. Letztlich entstehen sie durch Handlung. Handlung ist die Bedeutung des Wortes Drama, das aus dem Griechischen kommt. Handlung ist die Grundlage aller Dramatik.

Die Griechen lassen grüßen

Vieles, was noch heute in Politik und Kultur von Bedeutung ist, geht zurück auf das antike Griechenland. Dort entstand auch das Drama. Es ist das dritte und jüngste im Dreierbund der Literatur: Epik, Lyrik und Drama. Die reine Dialogform des Dramas baut gewissermaßen auf den beiden anderen auf. Grundlage der abendländischen Literatur und damit auch des Dramas sind die beiden Versepen von Homer, die Ilias, die vom trojanischen Krieg handelt, und die Odyssee. Sie entstanden im 8. Jahrhundert vor Christus. Zwei Jahrhunderte darauf folgten drei berühmte Dramatiker. Der älteste Aischylos, der mittlere Sophokles und der jüngste Euripides, der sinngemäß gesagt hat: ‚Alles, was wir geben, sind nur Brosamen vom reichen Gabentisch Homers.‘

Gegenwart

Das Besondere am Drama ist die Gegenwart. Während die Personen sprechen und spielen, ist das Geschehen gegenwärtig, mehr als in einer Erzählung. Es braucht dafür aber auch einen gewissen Rahmen (Vorführungsort, Darsteller, oft Musik, Interesse und freie Zeit der Zuschauer) und der ist nur zu bestimmten Zeiten gegeben, in Hochkulturen in ihrer Blütezeit.

Handlung

Damit es aber auch spannend wird, braucht es einen Konflikt. Die Art des Konflikts ändert sich im Laufe der Geschichte des Dramas. Der Konflikt des antiken Dramas ist ursächlich schicksalhaft. Der Held, den wir Protagonisten nennen, den Haupthandelnden, wird ohne Absicht oder eigenes Verschulden in einen Konflikt verstrickt. Er selber kann ihn nicht lösen. Er kann – und das ist das Vorbildliche am tragischen Helden – ihn nur tapfer und edel erleiden. Das Grundmuster liefert hier die Odyssee von Homer, auch wenn sie selbst kein Drama ist. Odysseus versucht nach dem Fall Trojas in seine Inselheimat Ithaka zurückzukehren. Doch er wird vom Meeresgott Poseidon verfolgt, der ihm zürnt und fortwährend hindert. Er gelangt an eine Meerenge, an der er wählen muss: Entweder steuert er dicht am Felsen entlang, wo ein Ungeheuer haust, Skylla, das von oben im Flug auf jedes Schiff nieder stößt und sechs Männer raubt und tötet, oder er steuert zum gegenüberliegenden Felsen, wo das Meer ruhig scheint, aber Charybdis, gleichfalls ein mythisches Ungeheuer, einen gewaltigen Strudel erzeugt, der jedes Schiff in die Tiefe zieht. Ein Drittes gibt es nicht.

Das griechische Drama behält die Ursächlichkeit des schicksalhaften Konfliktes bei, bemüht sich aber, durch Maßgabe des moralisch richtigen Verhaltens eine Besserung in Aussicht zu stellen.

Orestie

So wird Orest beispielsweise in einem dreiteiligen Drama von Aischylos, das 458 v.Chr. in Athen aufgeführt wurde, nach langem Leiden von schwerer Schuld freigesprochen. Er hatte seine Mutter getötet, die seinen Vater ermordet hatte, der wiederum seine Tochter geopfert hatte … – eine schicksalhafte Verstrickung. Aus Rache, die unendlich fortwirkt, wird aber schließlich Recht, wenn er von den Rachegöttinnen begnadet wird.

Aufführungen

Sie dauerten den ganzen Tag. Gespielt wurde mit Masken und Musik. Die Vorführungen hatten ursprünglich religiösen Charakter, denn es ging um das Verhältnis von Göttern und Menschen und um das moralisch richtige Verhalten. Es ging um die Erschütterung, das Mitleiden und als Folge davon um die Reinigung oder Befreiung von der Belastung des unerlösten Daseins.

Ohne Christus bleibt Antike – von der Renaissance zur Klassik

Mit dem Zusammenbruch der Antike verschwindet auch das Drama in Europa für über 1500 Jahr aus dem Bewusstsein. Im christlich geprägten Mittelalter gab es wohl sogenannte Mysterienspiele, die zumeist von den Leiden Christi handelten, aber der Kern des Dramas fehlt. Christus ist auferstanden und das löst den eigentlichen Konflikt, dramatisch gesehen. Das gute Ende steht schon fest. Man kann mit dem Sohn Gottes mitleiden, aber das Leid an sich ist überwunden, in der Auferstehung nämlich. Erst in der Renaissance, als man sich wieder auf die Antike besinnt, weil der christliche Glaube an gesellschaftsprägender Kraft verloren hatte, tritt das Interesse am dramatischen Konflikt erneut hervor. Nur, man glaubt nicht mehr an Götter, weshalb die Konflikte zunehmend anderer Art sind als bei Aischylos, Sophokles und Euripides in Griechenland.

Das 16. Jahrhundert ist vom Streit um die richtige Interpretation des Glaubens dominiert. Katholiken gegen Protestanten – das ist auch Adel gegen Bürgertum, Mittelalter gegen Neuzeit. Frankreich und England befreiten sich davon schneller als Deutschland, weshalb sich die Kultur und das Drama dort früher entwickelten. Führend in Europa war zunächst Frankreich unter Ludwig XIV, dem Sonnenkönig.

Adel verpflichtet

Es war ein höfisches Theater, das sich auf Regeln aus der Antike berief, wie den Aufbau in 5 Akten oder auch den berühmten drei Einheiten, die auf Aristoteles zurückgehen. Dieser Philosoph, ebenfalls ein Grieche, hatte sich gefragt, warum manche Stücke erfolgreicher waren als andere und dabei vor allem drei besondere Merkmale genannt:

  • Die Einheit des Raumes
  • Die Einheit der Zeit
  • Die Einheit der Handlung

Das bedeutet: keine Sprünge von einem Ort zu einem anderen, wie uns das heute von Filmen ganz selbstverständlich ist, oder, auf das Theater bezogen, keine Kulissenwechsel. Die Handlung spiele innerhalb eines Sonnenumlaufs und beschränke sich auf einen Handlungsstrang, mithin keine Nebenhandlungen. Daher nennt man diese Art des Dramas auch geschlossenes Drama, obwohl einheitlich treffender wäre.

Der französische Adel, der sehr auf Form bedacht war, nahm sich diese Regeln zu Herzen und wollte es genau so haben, Punktum und nicht anders. Dass die Zeit ganz anders war, das Theater keine halbkreisförmige Arena mehr bildete, bei der man von oben herab schaute, sondern ein längliches mit einer erhöhten Bühne und Vorhang; dass die Schauspieler keine Masken trugen, es auch keinen Chor gab, das störte sie nicht. Hauptsache die drei Einheiten wurden gewahrt und andere Regeln eingehalten.

Die Strafe für diese Tyrannei ist, das außerhalb Frankreichs niemand mehr Stücke von Racine oder Corneille kennt, die doch damals für die Größten gehalten wurden. Nur Moliere, der Komödien schrieb und diese Regeln nicht besonders ernst nahm, wird heute noch gern und viel gespielt. Die Deutschen eiferten dem französischen Drama zuerst nach, waren aber bald genervt von dieser Bevormundung. Man nahm sich besonders in der Sturm-und-Drang-Zeit lieber Shakespeare zum Vorbild, der … – aber ich eile der Entwicklung voraus. Zuerst kommt die Aufklärung und das bürgerliche Trauerspiel in Deutschland.

‚Wir sind viel moralischer als ihr‘

Im Barock gab es eine eigenartige Ständeklausel (auch im Anschluss an die Antike), die besagt, dass nur Adelige Protagonisten in einer Tragödie sein dürfen. Nur sie schienen edel genug. Die Bürger dürften in der Komödie karikiert werden. Das ärgerte sie und sobald sie sich politisch durchgesetzt hatten, war damit Schluss. In Lessings Trauerspiel Emilia Galotti (1722) wird eine Bürgerstochter Emilia von einem Adeligen unter Vorwänden auf sein Schloss entführt. Er will sich sie mit der Zeit gefügig machen. Sie widersteht zunächst. Ihr Vater kommt, erkennt, dass er sie weder befreien kann, noch dass sie diesem Druck auf Dauer gewachsen sein würde, und ersticht sie. So fällt sie, aber besser so als anders. Moralischer Sieger ist hier eindeutig das Bürgertum, meinte das Bürgertum.

So ganz befriedigend war diese Art Trauerspiel aber vielleicht doch nicht und so erfolgte in der nächsten Generation der eigentliche Angriff gegen das französische Regeltheater. Die jungen Wilden, auch Goethe und Schiller dabei, hatten Shakespeare entdeckt.

Theater oder Bärenhatz?

Vor dieser Frage stand der Londoner, der Unterhaltung suchte, um 1600 herum. Bei der Bärenhatz wurden Bären getötet, bei Shakespeare im Theater – nun es ging martialisch und dramatisch zu. Es war Volkstheater, das obendrein vom Adel geschätzt wurde. Shakespeare benutzte die Regeln, soweit sie ihm nutzten, sonst nicht. Die Protagonisten sind weiterhin von Adel, aber sie sind so menschlich, vielschichtig und gebrochen, dass es kaum auffällt. Außerdem kommt der Adel auch in den Komödien vor. Die Konflikte liegen teils im Schicksalhaften, teils im Inneren der Protagonisten. Macbeth scheitert, weil die drei Hexen es so wollen, aber ebenso, weil er zu ehrgeizig ist. Er will König werden und mordet dafür. Hamlet hingegen findet sich in der Situation des Orest wieder. Seine Mutter hat seinen Vater getötet, aber er bleibt unentschlossen. Soll er Rache nehmen? Wann am besten? Oder soll er lieber sich selbst töten, um diesem Elend zu entfliehen? “To be or not to be?” Auch mit einer Frau kommt er nicht richtig vorwärts, also scheitert er. Shakespeares Helden sind zerrissen zwischen mittelalterlicher Zeit und Neuzeit. Sie sind kraftvoll, leidenschaftlich, individualistisch und scheitern. Die Deutschen waren und sind hingerissen von so viel Natürlichkeit. Goethe hat Shakespeare nachgeahmt im Götz von Berlichingen und Schiller, teilweise, in seinem Frühwerk, Die Räuber. Von Shakespeare inspiriert haben die deutschen Dichter auch den Blankvers übernommen, ein fünfhebiges Versmaß ohne Reim.

„Der Śtarke íst am mäćhtigstén alléin.“ (Wilhelm Tell, Schiller)

Ein Jambus. Unbetont, betont.

Es eifre jeder seiner unbestochnen

Von Vorurteilen freien Liebe nach!“ (Nathan der Weise, Lessing)

Das epische Theater

Von einigen Ausnahmen abgesehen löste man sich erst im 20. Jahrhundert von den Grundregeln. Sicher, man hatte sie nicht mehr so strikt befolgt, auch in der Weimarer Klassik nicht, aber die Idee des Zusammenhalts durch geschlossene Form, war geblieben. Die Aufteilung in 5 Akte vor allem, die Entwicklung der Handlung mit dem Höhepunkt im 3. Akt, hatten sich zu sehr bewährt, als dass man darauf verzichten wollte. Maßstab war auch für die Deutschen die antike Tradition, allerdings gemäßigter und den eigenen Bedürfnissen angepasst. Erst nach dem 2. Weltkrieg, als jede Art von Tradition endgültig verdächtig schien und abgelehnt wurde, brach man bewusst mit diesen Regeln.

Bertolt Brecht beispielsweise begründete das epische Theater, das über lange Zeiträume berichtet, auch Zeitsprünge hat, und zudem unterbrochen wird durch reflektierende Musikeinlagen oder die direkte Ansprache des Publikums. Es ist Lerntheater, im Grunde ideologisch motiviert, denn Brecht arbeitete in der DDR vor allem anfangs in Übereinstimmung mit der SED, die ihm ein Theater zur Verfügung stellte. Dennoch hat sich der Begriff offenes Drama als Gegenpol zum oben erwähnten geschlossenen etabliert, was irgendwie freier und toleranter klingt, es aber nicht ist. ‘Uneinheitlich’ wäre treffender oder auch ‘willkürlich, sprunghaft und unberechenbar’, denn das beschreibt eher, was das moderne Drama ist und sein will.

Und hier noch ein paar Tipps

Am Ende bleibt es sich immer gleich. Es gibt einen Konflikt mit Ursache, Entwicklung und Lösung. Da sind Handelnde, Protagonisten und ein Gegenspieler, Antagonist. Es gibt die Exposition (Einleitung), einen Spannungsbogen, einen Höhepunkt oder Wendepunkt und den Abfall der Spannung, die meist noch einmal kurz aufflammt als retardierendes Moment – eine Verzögerung, ein Täuschungsmanöver, vor dem unweigerlichen Ende. Und es gibt Charaktere, die sich entwickeln können und sich durch ihr Handeln und ihre Reden offenbaren. Lass dich also nicht durch Begriffe verwirren. Am Ende geht es um Figuren, die für Menschen stehen, die du erklären, begreifen und möglichst verstehen sollst. Das ist das Drama, Tragödie oder Komödie, eingebettet in dein eigenes Drama des Schulalltags.

Mehr Informationen zur Dramenanalyse bzw. Szenenanlyse findest du hier.

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