Peter Weiss

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Peter Weiss (Peter Ulrich Weiss, auch unter dem Pseudonym „Sinclair“; 8.11.1916 – 10.05.1982) war ein deutsch-schwedischer Schriftsteller, der auch auf dem Gebiet der Malerei und Grafik sowie als Filmregisseur aktiv war. Bedeutung erlangte er in der deutschen Nachkriegsliteratur als Vertreter der Avantgarde vor allem für autobiographische Prosawerke und detailliert-deskriptive Beschreibungsliteratur. Als Mitglied der Gruppe 47 wurde Peter Weiss nach Ende des Zweiten Weltkriegs Teil des bedeutsamsten deutschen Autorenkreises. Immer wieder bestimmten dabei politische Inhalte seine Werke, mit Fokus vor allem auf dokumentarisch-vergangenheitsbewältigenden Arbeiten.

Wichtige Lebensstationen

Peter Weiss wurde 1916 als Sohn der Schauspielerin Frieda Weiss in Potsdam geboren. Neben zwei Schwestern und einem Bruder hatte er noch zwei Halbbrüder aus der ersten Ehe seiner Mutter. Nachdem die Familie nach Bremen zog, wurde sein Vater Jenö Weiss als Textilhändler wohlhabend genug, um einen gehobenen Lebensstil zu führen. Er konvertierte 1920 zum Christentum und distanzierte sich damit von seiner jüdischen Herkunft.

Schließlich siedelte die Familie nach Berlin um, wo Peter Weiss das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium besuchte und sich begeistert der Welt der Bücher zuwendete. Später bezog er aus der frühen Lektüre von Hermann Hesse, Thomas Mann und Bertolt Brecht sein Verständnis von Literatur. Gleichzeitig malte er an einer Zeichenschule und orientierte sich dabei an deutschen Expressionisten.




Es folgten mehrere Umzüge, bis sich Peter Weiss, der mittlerweile Kontakt zu Hermann Hesse aufgenommen hatte, für ein Studium an der Kunstakademie in Prag entschied.

Mit der Annexion des Sudetenlandes durch Deutschland 1938 gehörte die Familie infolge der jüdischen Herkunft des Vater zu den politisch Verfolgten im Dritten Reich. Sie emigrierten nach Südschweden, Weiss selbst zog nach Stockholm, seinem künftigen Lebensmittelpunkt bis zum Tode. Dort heiratete er auch die Künstlerin Helga Hentschen. Die Ehe hielt jedoch nur bis 1947.

In Schweden angekommen arbeitete er konzentriert an seiner Karriere als Künstler: Er studierte an der Stockholmer Kunstakademie, produzierte gleichzeitig Werke als Autor und Maler. 1946 erhielt er die schwedische Staatsbürgerschaft.

Im Jahr 1949 heiratete er die spanische Diplomatentochter Carlota Dethorey, die im gleichen Jahr den Sohn Paul zur Welt brachte. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Prosagedichte, aber auch sogenannte Trümmerliteratur mit Berichten aus dem zerstörten Deutschland.

Ab 1952 wirkte er als Hochschullehrer an der Stockholmer Universität und beschäftigte sich mit der Arbeit als Filmregisseur. Während dieser Phase, die bis ca. 1962 andauerte, produzierte er auch zahlreiche experimentelle und dokumentarische Filme. Ebenfalls 1952 gelang ihm der Einstieg in die deutsche Literaturszene mit einer Veröffentlichung beim Suhrkamp-Verlag. Es folgten die biographischen Werke Abschied von den Eltern und Fluchtpunkt, die ihm schließlich Zugang zur Gruppe 47 verschafften. Dies war eine Vereinigung bedeutender zeitgenössischer Autoren und Literaturkritiker, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Demokratie in Deutschland stärken und eine dazu passende Literatur schaffen wollten.

1964 wurde am Berliner Schillertheater Weiss‘ Stück Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade (Marat/Sade) uraufgeführt, das weltweit Erfolge feiern sollte. Auch weitere Werke dieser Zeit waren ausgesprochen erfolgreich und sorgten für internationale Anerkennung des Autors.

Das Spätwerk von Peter Weiss begann 1975 mit der Veröffentlichung des ersten Bandes von Die Ästhetik des Widerstandes. Doch das Buch, das sich mit der Arbeiterbewegung und deren Widerstand gegen das Dritte Reich beschäftigte, brachte ihm viel Kritik wegen angeblicher politischer Positionierung zugunsten der Sowjetunion ein. Erst die folgenden beiden Bände und die dadurch angestoßene Diskussion ermöglichten die wohlwollendere Rezeption dieses Werkes.

Die Arbeit an Die Ästhetik des Widerstandes hatte ihn körperlich stark gefordert. Hiervon erholte er sich nicht mehr. Kurz nachdem seine Bühnenbearbeitung von Kafkas Prozess 1982 Uraufführung hatte, verstarb Peter Weiss in Stockholm an einem Herzinfarkt.




Themen

Es ist schwer, Weiss einem einheitlichen Stil und einer festen Thematik zuzuordnen. Stattdessen verläuft seine literarische Arbeit in einer Entwicklung, in der er sowohl mit formellen als auch inhaltlichen Elementen experimentiert. Immer wieder findet Peter Weiss neue Ausdrucksformen und bemüht sich um avantgardistische Neuinterpretation bestehender Werke und Themen.

Anfangs pflegt er einen streng beschreibenden Stil, in dem er miniaturistische Detailprosa fertigt. Dann jedoch wendet er sich in seinen später erschienenen Theaterstücken teilweise direkt ans Publikum. Auch bemüht er sich nicht um darstellerische Exaktheit, sondern forciert die Künstlichkeit der Inszenierung durch die stark stilisierte Sprache. Marat/Sade besticht unter anderem durch groteske und absurde Elemente.

Seine Entwicklung kulminiert schließlich in Die Ästhetik des Widerstandes, einem Roman, der seinen Inhalt über weitgehend traditionelle Erzählformen transportiert.

Schon in seinen Theaterstücken beschäftigt sich Peter Weiss mit politisch linken Inhalten und Fragen von sozialer Gerechtigkeit und Widerstand gegen Unrecht. Er lässt dabei immer wieder unterschiedliche Positionen in Dialogform aufeinandertreffen. Er arbeitet die verschiedenen Haltungen im Diskurs ab und inszeniert auf diese Weise einen Gedankenaustausch.

Sein großes Thema ist die „Selbstbefreiung der Unterdrückten“ und die Aufarbeitung der Nazidiktatur. So beschäftigt sich Die Ermittlung mit den ersten Frankfurter Auschwitzprozessen und spätere Werke beziehen klar Stellung für die sozialistische Position im Konflikt des Kalten Krieges. Auch seine Bearbeitung von Kafkas Prozess rückt diesen in die Gegenwart und den Kontext sozialer Ungerechtigkeit angesichts moderner Konzerne und diktatorischer Überwachungsstaaten.




Ausgewählte Werke

  • 1952-1955: Studie I – Studie V, Experimentalfilme
  • 1960/61: Eine Schwedin in Paris, Film
  • Malerei und Grafik mit Ausstellungen in Bremen, Bochum, Berlin; Illustrationen zu eigenen Werken und Prosa von Hermann Hesse
  • 1961: Abschied von den Eltern, Erzählung
  • 1962: Fluchtpunkt, Roman
  • 1975-81: Die Ästhetik des Widerstandes, Roman in drei Bänden
  • 1962-65: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade (Marat/Sade), Theaterstück
  • 1965: Die Ermittlung, Theaterstück
  • 1981-82: Der neue Prozess, Theaterstück

Auszeichnungen

  • 1966: Heinrich-Mann-Preis der Deutschen Akademie der Künste, Berlin (DDR)
  • 1966: Tony Award for Best Play für Marat/Sade
  • 1981: Literaturpreis der Stadt Köln (Heinrich-Böll-Preis)
  • 1982: Literaturpreis der Stadt Bremen für Die Ästhetik des Widerstands
  • 1982: De Nios-Preis („Kleiner Nobelpreis“)
  • 1982: Georg-Büchner-Preis (postum)
  • 1982: Schwedischer Theaterkritikerpreis (postum)

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